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Call Center in Bremen – Jobmaschine und Hoffnungsträger regionaler Strukturpolitik ?

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Information und Diskussion

 

 

Der folgende  Beitrag Dr. Hella Baumeister, Referentin für Arbeitsmarkt-, Beschäftigungs- und Qualifizierungspolitik bei der Arbeitnehmerkammer Bremen, erschien im Bremer Arbeitnehmermagazin (BAM), Ausgabe 6/August 2001. 

In der im BAM abgedruckten Fassung wurde bei der Endredaktion irrtümlich mehrfach der Begriff "Outbound Call Center" statt "externe Call Center" eingesetzt. In der hier vorliegenden Version sind die Bezeichnungen korrekt wiedergegeben.

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Call Center in Bremen – Jobmaschine und Hoffnungsträger regionaler Strukturpolitik

Ergebnisse und Schlußfolgerungen aus einer Betriebsbefragung in Bremen

Dr. Hella Baumeister
Referentin für Arbeitsmarkt-, Beschäftigungs- und Qualifizierungspolitik bei der Arbeitnehmerkammer Bremen

Problemaufriss

"Bremen wird beweisen, dass es im Wettbewerb mit anderen Standorten zur Call Center City Nr. 1 in Deutschland avanciert", so die bremische Wirtschaftsförderung Mitte der 90er Jahre. Auch wenn das Ziel verfehlt wurde – mit z.Zt. 55 Call Centern und ca. 2 500 Beschäftigten sind Call Center ein wichtiger Beschäftigungsbereich.

Call Center sind eigenständige Betriebe oder Betriebsabteilungen, die mit dem Ziel eingerichtet wurden die telefonischen Kundenkontakte zu intensivieren, effektivieren und zugleich Kosten zu sparen. Der verstärkte Wettbewerb im Dienstleistungssektor führte dazu, dass der Call Center-Bereich zu den größten Wachstumsbranchen in Deutschland zählt. Es handelt sich allerdings nur zum Teil um neu geschaffene Arbeitsplätze. Gegenübergestellt werden müssen die Arbeitsplatzverluste durch Ausgliederung bzw. Verlagerung in anderen Unternehmen bzw. Regionen. Trotzdem kann kaum ein anderer Bereich solche Beschäftigungszuwächse verbuchen – ein Ende des Booms ist gegenwärtig kaum abzusehen. Zu unterscheiden sind – vereinfacht - unternehmens- und konzerninterne Call Center sogenannte Inhouse-Call-Center und externe Dienstleister, d.h. eigenständige Dienstleistungsunternehmen, die marktorientiert für mehrere Unternehmen tätig sind. Call Center können sowohl "inbound" oder "outbound" arbeiten. Bei "inbound"- Tätigkeit werden Anrufe von KundInnen wie Bestellungen oder Beschwerden entgegen genommen, bei "outbound"-Tätigkeiten führen die Agents von sich aus Telefonate (z.B. Verkaufsgespräche) durch.

Werden Call Center von Politik und Wirtschaft insbesondere in strukturschwachen Regionen wie u.a. in Bremen nur zu häufig als "Job-Maschinen" , als Hoffnungsträger regionaler Strukturpolitik gesehen , so klagen die Beschäftigten über relativ schlechte Arbeitsbedingungen und Einkommensmöglichkeiten. Zugleich sprechen Call Center Betreiber von einem ausgeprägten Mangel an qualifizierten Fachkräften. Es besteht Handlungsbedarf.

Betriebsbefragung "Call Center City Bremen"

Das verfügbare Wissen über Call Center Organisations- und Arbeitsformen ist vergleichsweise gering. Mehr Wissen und Transparenz über diesen expandierenden Beschäftigungsbereich ist jedoch die Voraussetzung, das Image der Call Center und der Call Center Agents in der Öffentlichkeit zu verbessern und Hinweise für eine Weiterentwicklung der Arbeitsbedingungen und möglicherweise bisheriger Qualifizierungsstrategien zu liefern.

Für das Land Bremen, das sich den Begriff "Call Center City Bremen" gesetzlich schützen ließ und relativ früh die Ansiedlung von Call Centern zu einem Schwerpunkt der Wirtschaftsförderung machte, wurde deshalb in Zusammenarbeit mit dem Rationalisierungs- und Innovations Kuratorium der Deutschen Wirtschaft (RKW) eine Betriebsbefragung der Call Center im Land Bremen durchgeführt. Einbezogen wurden sowohl Inhouse-Call-Center als auch externe Dienstleister.

Allein von 1995 bis 2000 sind von der bremischen Wirtschaftförderung 16 Call Center mit 2000 geplanten Arbeitsplätzen angesiedelt worden. Bremen hat explizit um standortunabhängige Call Center geworben.

An der Betriebsbefragung beteiligten sich 46 Betriebe mit insgesamt 2 340 Beschäftigten. 70 Prozent der Betriebe (32 Unternehmen) entfielen auf die Gruppe der Inhouse Call Center und 30 Prozent (14 Unternehmen) auf die Gruppe der externen Dienstleistungs Call Center. Damit können Aussagen – mit aller gebotenen Vorsicht – für mehr als 80 Prozent aller bremischen Call Center und Beschäftigten gemacht werden. Die Analyse ist getrennt nach Inhouse Call Centern und externen Dienstleistungs Call Centern erfolgt.

Erhoben wurden umfangreiche Daten zu den Bereichen Unternehmensstruktur, Tätigkeitsschwerpunkten, Beschäftigtenstruktur, Qualifikationsanforderungen, Arbeitsbedingungen und Zukunftstrends.

Einige ausgewählte Trendergebnisse:

Unternehmensstruktur

  • Die weit überwiegende Mehrheit der Betriebe existiert seit weniger als drei Jahren. Das gilt für die externen Call Center aber auch erstaunlicherweise für die Inhouse Call Center, von denen der größte Teil rechtlich selbständig ist.
  • Die durchschnittliche Betriebsgröße bei den Inhouse Call Centern liegt bei 40 MitarbeiterInnen und bei den externen Call Centern bei etwa 100.
  • Für die Inhouse Call Center wurde ein dominanter Wirtschaftsbereich "Groß- und Einzelhandel" festgestellt, hier deutet sich ein Zusammenhang mit regionalen Stammunternehmen an. Externe Dienstleister sind demgegenüber mehrheitlich tätig im Bereich Telefonmarketing/Telefondienstleistungen und bilden damit eine eigene "Branche".
  • Tätigkeitsschwerpunkte für Inhouse Call Center sind "Auskunft erteilen", "Fachlich beraten" und "Serviceleistungen anbieten"; für externe Dienstleister:"Verkaufen", "Bestellungen entgegennehmen" und "Beschwerdemanagement".
  • Bei den Inhouse Call Centern dominieren inbound Tätigkeiten, wenngleich das Spektrum variiert bis zu 100% outbound. Bei den externen Dienstleistern werden zwar relativ mehr outbound Tätigkeiten ausgeführt, aber vorherrschend ist eine große Vielfalt zwischen in- und outbound Tätigkeiten, die sich zudem je nach aktuell bearbeiteten Projekten verändert.

Beschäftigungsstruktur:

  • Vollzeitbeschäftigte stellen in Inhouse als auch – abgeschwächt - in externen Call Centern die Mehrheit. Wider Erwarten liegt die Teilzeitquote in externen Dienstleistungs Call Centern relativ niedriger als in Inhouse Call Centern, zu erklären durch die Nichtvereinbarkeit der dort vorherrschende 7-Tage/24 Std. Betriebszeit, mit den Arbeitszeitbedürfnissen vieler Frauen. Dafür finden sich hier deutlich mehr 630,-DM-Beschäftigte. Die durchschnittliche Frauenquote lag bei externen Dienstleistern mit 70 Prozent über den Werten für Inhouse Call Center.
  • Call Center, insbesondere externe Dienstleister, scheinen gute Beschäftigungsmöglichkeiten für diejenigen Personengruppen zu bieten, die erstmals oder wieder einen Zugang zum Arbeitsmarkt suchen. Das gilt u.a. für Berufsrückkehrerinnen aber auch für Studienabbrecher, Studienabsolventen.
  • Mehrheitlich arbeiten in den Call Centern jedoch AbsolventInnen einer betrieblichen - zumeist kaufmännischen – Berufsausbildung. Die Quote der Beschäftigten mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung scheint in Inhouse Call Centern noch relativ höher zu sein. Hier wurden offenbar viele Beschäftigte aus den Stammunternehmen übernommen.
  • Bei den externen Call Centern ist die intensive Nutzung der Telefonarbeitsplätze auffallend. In einem größeren Betrieb werden ausschließlich Teilzeitverträge vergeben (30-Std.), in einigen kleineren Centern nur geringfügig Beschäftigte eingesetzt. Auch befristete Arbeitsverträge finden sich offenbar vorwiegend hier, es gab Hinweise auf Änderungskündigungen von unbefristeten Verträgen.
  • Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sind in externen Call Centern eher die Ausnahme während sie in Inhouse Call Centern mehrheitlich die Regel sind. Auch bei den aus- bzw. neu gegründeten Inhouse Call Centern ist durchweg (noch) eine tarifrechtliche Absicherung gegeben und zumeist existiert eine betriebliche Interessenvertretung. In externen Call Centern gibt es hier erhebliche Vorbehalte: Betriebsräte sind bislang noch die Ausnahme.

Zukunftstrends

  • Gemeinsam ist den Call Centern, dass sie in der Vergangenheit stark expandiert haben und für die Zukunft teilweise exorbitante Zuwachsraten anpeilen. Die Entwicklungssprünge bei den externen Dienstleistung Call Centern sind jedoch erheblich größer. Der Boom der Call Center scheint nicht abgeschlossen, wenngleich es auch vereinzelt skeptische Stimmen gab – zumeist bei den Inhouse Call Centern.
  • Mehrheitlich wurde die Meinung vertreten, dass Call Center in der Ausprägung einer verbesserten Telefonzentrale keine Überlebenschancen haben. Es wird erwartet, dass die Anforderungen komplexer werden und fachlich anspruchsvoller. Insbesondere wird die zunehmende Einbeziehung neuerer Kommunikationsstrategien nicht nur erwartet sondern teilweise schon praktiziert (z.B. Internet, e-business, business to business; business to customer). Daneben wird ein Trend in Richtung "Communication Center", "information pool", "Customer care Center" erwartet.

Schlussfolgerungen und Forderungen aus Arbeitnehmersicht:

Politik und Wirtschaft in Bremen setzten auf Call Center als Garanten für Beschäftigungswachstum in den neuen Dienstleistungsbereichen. Die Akquisition von Call Centern wurde als Beitrag zur Bewältigung des Strukturwandels in Bremen bewertet, verbunden mit der Hoffnung, dass hier Beschäftigungsmöglichkeiten für mittel und niedrig Qualifizierte geschaffen werden.

Die empirische Bestandsanalyse hat nun ergeben, dass

- der Beschäftigungsbereich Call Center ist nicht geeignet das Problem der strukturellen Massenarbeitslosigkeit zu lösen.

So ist der im industriellen Bereich qualifizierte (männliche) Facharbeiter, der seinen Arbeitsplatz verloren hat (z.B. Schiffbauer) kaum geeignet für eine Tätigkeit als Call Center Agent.

- Call Center sind kein Beschäftigungssektor für niedrig Qualifizierte

Die Mehrheit der bremischen Call Center hat heute bereits hohe Qualifikationsanforderungen, die in Zukunft noch ansteigen werden. Die Minderheit von Call Centern, mit geringeren Qualifikationsanforderungen, verlieren an Bedeutung.

- Gute und zuverlässige Mitarbeiter werden für das einzelne Unternehmen immer wichtiger.

Die Mitarbeiterbindung ist eines der aktuellen Zukunftsthemen.

Nach der quantitativen Aufbauphase muss es jetzt um die qualitative Weiterentwicklung dieses prosperierenden Beschäftigungsbereiches gehen. Hierzu gehört nach Auffassung der Arbeitnehmerkammer Bremen unabdingbar die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, der Einkommens- und Aufstiegsmöglichkeiten sowie der Qualifizierungsmaßnahmen mit dem Ziel einer Verringerung der Fluktuation. Dann könnten die Call Center dem Ruf als Hoffnungsträger eher gerecht werden, zudem hier offenbar eine Vielzahl von Arbeitsplätzen entsteht die auch Frauen, älteren ArbeitnehmerInnen, möglicherweise Behinderten einen niedrigschwelligen Zugang zum Erwerbssystem ermöglicht.

Fazit:

Das Land Bremen hat vor allem auf die Ansiedlung von standortunabhängigen Call Centern gesetzt, wobei die teilweise sehr problematischen Arbeits- und Entlohnungsbedingungen offenbar in Kauf genommen wurden. Diese Politik ist angesichts der Strukturschwäche der Region nachvollziehbar. Die Probleme werden sich jedoch kaum naturwüchsig von selbst regulieren. Die Arbeitnehmerkammer erwartet deshalb zum einen, dass das Prinzip der Nachhaltigkeit bei Neuansiedlung stärker beachtet wird (stärkere Verknüpfung mit den regionalen Branchenstrukturen) und ergänzend auf eine gezielte Bestandspflege ansässiger Call Center gesetzt wird. Zum zweiten sollten bei Vergabe öffentlicher Mittel wenigstens Mindeststandards in den Betrieben sichergestellt werden. Die Einrichtung einer betrieblichen Interessenvertretung sowie tarifvertragliche Reglungen sind ein wichtiger Schritt zur angestrebten Normalität dieses Beschäftigungsbereiches, die von der Arbeitnehmerkammer Bremen aktiv unterstützt wird.

 

 


 

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